Wahrscheinlichkeitsbewertung und Urteilsfindung | 4. Juli 2024
Am Donnerstag, 04.07.2024 ab 19:00 Uhr
Im Eine-Welt-Haus, Schwanthaler Straße 80, München, Raum 211/212
Referentin und Referent: Dr. Anna Berger und Dr. Johannes Makepeace, München
Thema: Wahrscheinlichkeitsbewertung und Urteilsfindung
Die Überzeugungsbildung überlässt § 261 StPO dem Gericht. Dieses ist in seiner richterlichen Beweiswürdigung frei. Das ließe im Grundsatz eine Entscheidung zu, die in das Belieben des Tatgerichts gestellt ist. Zwar nehmen die Revisionsgerichte (Stichwort: „erweiterte Revision“) nicht mehr alles hin, was das Tatgericht als Sachverhalt feststellt, sondern fordern eine tragfähige Grundlage. Bloße Wahrscheinlichkeiten werden hier bislang von der Rechtsprechung weitgehend außer Acht gelassen; Entscheidungen werden in der Revisionsinstanz insoweit allein nach dem Grundsatz „möglich, aber nicht zwingend“ überprüft. Offen ist aber, wie weit eine Bewertung einzelner Indizien nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung Einfluss auf die Überzeugungsbildung haben und dazu führen könnte, dass auch unsichere Indizien besser berücksichtigt werden.
Die Veranstaltung soll in die auch bei der ansonsten freien Beweiswürdigung zwingend zu beachtenden Denkgesetze der Logik und der mathematischen Wahrscheinlichkeitsrechnung einführen und einen Denkanstoß für die Praxis der Strafverteidigung bieten, wie die „tragfähige Grundlage“ der tatrichterlichen Überzeugungsbildung prozessual beeinflusst werden kann.
Beide Referenten haben sich in ihren Dissertationen damit auseinandergesetzt, welche Anforderungen an die Einhaltung logischer Denkgesetze durch den Tatrichter im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu stellen sind. Anna Berger hat sich in diesem Zusammenhang insbesondere mit Prognose- und Schätzklauseln befasst und die Frage beleuchtet, inwiefern die Regel „in dubio pro reo“ in diesem Zusammenhang zum Tragen kommen kann, wenn das Gericht logisch korrekt vorgeht. Johannes Makepeace hat die Methoden der Glaubhaftigkeitsbegutachtung von Aussagen im Strafverfahren und ihren konkreten Beweiswert anhand von Wahrscheinlichkeitsberechnungen untersucht. Seine Arbeit zeigt, dass eine Würdigung solcher Beweise entgegen den Denkgesetzen der Logik regelmäßig zu falschen Urteilen führt. Die Referenten haben in den Regeln der mathematischen Wahrscheinlichkeitsrechnung beim Indizienbeweis einen wertvollen Ansatz für ihre weitere Forschung gefunden. Dieser Ansatz, der in Rechtsprechung und Praxis noch zu wenig Beachtung findet, soll Schwerpunkt der Veranstaltung sein.
Wir freuen uns, Sie und euch zahlreich begrüßen zu dürfen. Die Veranstaltung ist kostenlos und es wird eine FAO-Bescheinigung erstellt.
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